Rassistische Gewalt im Jahr 2017 in Thüringen weiter auf Rekordhoch: Opferberatungsstelle ezra veröffentlicht Jahresstatistik

Hier finden Sie die wichtigsten Zahlen der ezra-Jahresstatistik 2017 zusammengefasst als Diagramme zum Download.

 

Ezra, die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, hat am heutigen Mittwoch (7.3.) in Erfurt die Jahresstatistik für 2017 vorgelegt. Danach hat ezra insgesamt 149 Angriffe registriert. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von sieben Prozent, sei jedoch immer noch ein Rekordhoch.

„Das ist die zweithöchste Zahl von Angriffen, die je von unabhängigen Stellen in Thüringen seit 2001 registriert wurde“, sagt Christina Büttner, Projektkoordinatorin bei ezra.

Direkt betroffen von den Angriffen waren 2017 mindestens 220 Menschen, 2016 waren es mindestens 277 Menschen.

Die häufigsten Übergriffe hat ezra in Erfurt und Jena verzeichnet. Mit 41 Fällen in Erfurt und 18 Fällen in Jena seien die Angriffszahlen hier noch weiter gestiegen. So lasse sich für Erfurt eine absolute Steigerung von 32 Prozent, für Jena ein Anstieg von 13 Prozent ausmachen.

Besorgt zeigt sich Büttner über die Entwicklungen in Eisenach. Hier habe sich in den vergangenen Jahren eine äußerst gewaltbereite und organisierte Neonazi-Szene etablieren können, aus der vor allem politische Gegner*innen angegriffen würden, um sie einzuschüchtern und von ihrem antifaschistischen Engagement abzubringen. 2016 hatte ezra nur einen Angriff auf politische Gegner*innen in Eisenach erfasst, 2017 wurden bereits fünf Fälle registriert.

Die Gewalttaten sind nach Einschätzung von ezra 2017 nochmals brutaler geworden. Wurden 2016 bereits 45 Fälle von gefährlicher Körperverletzung registriert, so stiegen diese im vergangenen Jahr auf 48 Fälle an.

Rund 70 Prozent aller registrierten Angriffe in Thüringen wurden aus einer rassistischen Motivation heraus begangen. Dies entspricht insgesamt 103 Fällen. „Die rassistische Gewalt trifft zumeist geflüchtete Menschen oder solche, die von den Täter*innen dieser Gruppe zugeordnet werden“, so Büttner. Ezra macht zudem eine antimuslimische Haltung vieler Täter*innen aus. „Insbesondere Frauen mit Kopftuch sind immer wieder von rassistischen Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffen betroffen.“

Zu den Gründen für die seit Jahren hohe Gewaltbereitschaft zählt ezra das gesellschaftliche Klima: „Längst gehören Diffamierungen bis hin zu Gewaltandrohungen zum politischen Alltag und sind auch im Umfeld rassistischer Parteien wie der AfD kein Einzelfall mehr“, so Büttner. Die Täter*innen kämen zunehmend nicht aus einem neonazistischen Umfeld.

Für die Opferberatungsstelle ezra liegt ein Teil der Verantwortung auch bei der Politik: „Asylrechtsverschärfungen vermitteln Täter*innen den Eindruck, sie hätten mit ihren abscheulichen Angriffen Erfolg“, erklärt Büttner. Eine Verschärfung der Strafzumessung bei rechtsmotivierten Straftaten, als Konsequenz aus der NSU-Mordserie, habe dagegen in den von ezra begleiteten Gerichtsverfahren 2017 keine Anwendung gefunden. Auch die versprochene Regelung der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen, wonach es eine Bleiberechtsregelung für Betroffene rassistischer Gewalt geben sollte, lässt, kritisiert ezra, noch auf sich warten.

Im Jahr 2017 haben 203 Personen das Beratungsangebot von ezra in Anspruch genommen. Dies stellt die höchste Zahl dar, die seit 2011, dem Bestehen von ezra, erhoben wurde. Dabei handelt es sich nicht nur um Betroffene aus dem vergangenen Jahr, sondern auch um solche aus vorherigen Jahren, die längerfristig von ezra beraten werden. 

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.