Veröffentlichung der Publikation „Thüringer Zustände 2022“: Rassistische Stimmungsmache und antidemokratische Protestmobilisierung verschärfen die Situation im Freistaat

Rassistische Stimmungsmache und antidemokratische Protestmobilisierung verschärfen die Situation in Thüringen. Rechte und rassistische Gewalt befinden sich auf einem Höchststand, antidemokratische Protestmobilisierungen tragen Verschwörungsdenken, Rassismus und Antisemitismus auf die Straße und mit Blick auf die Wahlen droht eine massive Krise für die Demokratie mit bundesweiter Ausstrahlung. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommen die „Thüringer Zustände 2022“, die heute vorgestellt werden.

Die „Thüringer Zustände“ erscheinen das dritte Jahr in Folge und werden herausgegeben von ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, von MOBIT – Mobile Beratung in Thüringen – für Demokratie – gegen Rechtsextremismus, vom KomRex – Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Friedrich-Schiller-Universität Jena und vom IDZ – Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.

Die Herausgeber*innen verweisen auf die besorgniserregende Situation im Freistaat, die sich 2022 noch einmal verschärft hat. Das wird unter anderem an dem Höchststand rechter und rassistischer Gewalt deutlich, der durch das unabhängige Monitoring von ezra für das vergangene Jahr erfasst wurde. Dazu erklärt Franz Zobel, der Projektkoordinator von ezra: „Die rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete, die vor allem von der extrem rechten AfD ausgeht, ist verantwortlich für die Eskalation. Auch Thüringer Kommunalpolitiker*innen demokratischer Parteien tragen immer wieder dazu bei, indem sie rassistische Narrative reproduzieren.“

Neben der gefährlichen rassistischen Stimmungsmache haben massive antidemokratische Protestmobilisierungen im Herbst 2022 nicht nur zu einer Eskalation rechter Gewalt beigetragen. Für die Geschäftsführerin des KomRex, Dr. Cynthia Freund-Möller, geht von dieser Protestmobilisierung eine Bedrohung für die demokratische Kultur aus: „Unsere durchgeführten Befragungen unter Teilnehmenden der Montagsdemonstrationen haben ergeben, dass diese nicht Ausdruck von demokratischer Teilhabe und Forderung nach Freiheit und Menschenrechten sind, sondern rassistisch, antisemitisch und ausgrenzend. Rechtsextreme nutzen das Mobilisierungspotenzial, um nachhaltig antidemokratische Netzwerke zu etablieren.“

Zur Rolle der Thüringer AfD erklärt Dr. Axel Salheiser, der wissenschaftliche Leiter des IDZ: „Die extrem rechte Partei nimmt die Scharnierfunktion zwischen rechtspopulistisch ideologisierter Bevölkerung und organisierter rechter Szene im Parlament und auf der Straße ein. Dazu gehört ein immer offenerer Schulterschluss mit Neonazis.“ Die extreme Rechte in Thüringen habe sich an die veränderte politische Lage angepasst, erklärt Romy Arnold, die Projektleiterin von MOBIT: „So wie das Auftreten der AfD die Neonazi-Parteien bei Wahlen bedeutungslos hat werden lassen, haben Verschwörungserzählungen rund um die sogenannte Flüchtlingskrise und die Corona-Pandemie vor allem die „Reichsbürger“-Szene gestärkt.“

Mit Blick auf die Europa-, Landtags- und Kommunalwahlen im nächsten Jahr warnen die Herausgeber*innen, dass in Thüringen eine massive Krise für die Demokratie mit bundesweiter Ausstrahlung droht. Es braucht eine klare Unterstützung für Demokratieprojekte und eine engagierte Zivilgesellschaft. Dazu gehört es auch, Engagement gegen Rechtsextremismus zu ermöglichen und Demokratiearbeit nicht zum Spielball in den kommenden Haushaltsverhandlungen werden zu lassen. Alle demokratischen Akteur*innen auf Kommunal- und Landesebene sind dazu aufgefordert, die extrem rechte AfD nicht weiter zu normalisieren. Alle demokratischen Akteur*innen auf Kommunal- und Landesebene müssen sich bewusst werden, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD, ob nun mit oder ohne Höcke, allein ihr in die Hände spielt und die extrem rechte AfD weiter normalisiert.

Die Publikationsreihe „Thüringer Zustände“ bietet eine kompakte, faktenbasierte Darstellung und kritische Einordnung der Situation des Rechtsextremismus, des Antisemitismus und Rassismus, der Abwertung, Diskriminierung und Hassgewalt im Freistaat Thüringen. Sie ist eine zivilgesellschaftliche Alternative zu den vorliegenden, teilweise lückenhaften Einschätzungen der zuständigen staatlichen Behörden. Die „Thüringer Zustände“ erscheinen das dritte Jahr in Folge.

Themen, die in den „Thüringer Zuständen 2022“ behandelt werden:

Aus dem Inhalt:

  • Höchststand rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen 2022
  • Die extrem Rechte in Thüringen 2022: Bedeutungsverlust der Neonaziszene und erstarkende „Reichsbürger“-Strukturen
  • Die Thüringer AfD als „Friedenspartei“ im Kriegs- und Krisenjahr 2022
  • Wem gehört der Montag? Eine Studie zu Teilnehmenden der Montagsdemonstrationen in Thüringen im Herbst 2022
  • Polizeilich erfasste Hasskriminalität in Thüringen
  • Anfeindungen gegen kommunalpolitische Amtsträger*innen und Beschäftigte in der Kommunalverwaltung in Thüringen
  • Die Situation von Sintizze* und Romnja* in Thüringen
  • Was auf einmal alles möglich ist: die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und die Möglichkeiten der dezentralen Unterbringung für ALLE Schutzsuchenden
  • Post-Shoah-Antisemitismus: Schlaglicht auf ein Thüringer Spezifikum
  • Demokratiearbeit in Thüringen durch Antidiskriminierungsarbeit und -beratung stärken
  • „Da, wenn’s brennt“: Selbstverständnis und Herausforderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Thüringen

Kostenlose Druckexemplare der „Thüringer Zustände 2022“ können ab sofort bei den herausgebenden Institutionen bezogen werden. Die PDF-Version ist hier verfügbar: www.thueringer-zustaende.de.