Am Erfurter Amtsgericht mussten sich gestern, am 13.07.2022, mit einer Verzögerung von zwei Jahren, sechs Angeklagte wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung für den gewalttätigen Angriff vor der Thüringer Staatskanzlei am 18. Juli 2020 verantworten. Damals wurden mehrere junge Menschen, die sich am Erfurter Hirschgarten befanden, von einer Gruppe rechter Täter ohne Vorwarnung brutal attackiert. Die Angreifer traten gezielt auch auf bereits bewusstlose Personen ein und nahmen damit mutmaßlich den Tod der reglos am Boden liegenden Schwerverletzten in Kauf.
Es ist der erste von mehreren anstehenden Prozessen, verhandelt wurde am Jugendschöffengericht. Vier der sechs Angeklagten äußerten sich zum Tathergang, zur Aufklärung der Tatmotivation trugen sie allerdings nicht bei.
Theresa Lauß, zuständige Beraterin bei ezra, konstatiert: „Dass einer der Angeklagten in seiner Einlassung von „der schlimmsten Nacht“ seines Lebens spricht, ist in Anbetracht der schwerverletzten Betroffenen unerträglich und legt nahe, dass die angebliche Reue der Angeklagten nur eine Strategie ist.“ Lauß führt weiter aus: „Im gesamten Verlauf der Verhandlung wurde ein rechtes Tatmotiv weder erfragt noch thematisiert, obwohl öffentlich zugängliche Recherchen nach der Tat zeigten, dass die mutmaßlichen Täter einschlägig bekannt und teilweise rechten, militanten Gruppen zuzuordnen sind.“
Das Verfahren der zwei Angeklagten, die sich nicht vor Gericht geäußert hatten, wurde abgetrennt und wird fortgeführt. Die vier Täter, die eine Aussage abgaben, wurden vom Gericht nur mit Verwarnungen und geringen Auflagen bedacht. Das auferlegte Online- Anti- Gewalt-Training behandelt den Themenkomplex rechte Gewalt und rechte Ideologie nicht. Der am Hirschgarten vorgefallene Angriff, der scheinbar koordiniert, heimtückisch und mit großer Brutalität von einer Gruppe vermummter Täter durchgeführt wurde, ist von der Ideologie einiger Täter nicht zu trennen. Hinsichtlich der schwerverletzten Betroffenen, von denen eine Person nur durch Glück überlebt hat, ist eine bloße Verwarnung der Täter schwer nachvollziehbar.
Positiv hervorzuheben sei laut Theresa Lauß jedoch der Umgang im Gericht mit den Betroffenen: Ein Zeug:innenschutzraum wurde schnell zur Verfügung gestellt, der Großteil der Zeug:innen abgeladen, um sie vor mehrfachen Aussagen vor Gericht zu bewahren.
Der Angriff vor der Thüringer Staatskanzlei soll in mindestens vier weiteren Prozessen, u.a. am Landgericht Erfurt, verhandelt werden – Termine hierfür stehen noch nicht fest.