PM: Ezra warnt vor akuter Bedrohungslage durch rechte Gewalt in Erfurt-Nord und Saalfeld-Rudolstadt

In den letzten Wochen häufen sich rechte Bedrohungen und Angriffe im Erfurter Norden durch Neonazis aus dem Umfeld der „Neuen Stärke Partei“. Organisierten sich diese noch im letzten Jahr im Südosten der Landeshauptstadt, weisen die vermehrten Angriffe im Umfeld des Ilversgehofener Platzes und der Salinenstraße auf eine lokale Verlagerung der Gefahrenlage durch rechte und rassistische Angriffe hin. Es wurden aus Gruppen heraus rechte Parolen gerufen und Menschen attackiert. Mitte Juli berichtet die Polizei von volksverhetzenden Parolen nach einem Angriff mit vermutlich „politischer Motivierung“ der Täter. 

Dazu stellt Axel Wollenhaupt, Vorstandsvorsitzender des Autonomen Jugendzentrum e.V. (AJZ) in Erfurt, fest: „Bereits am 1. Mai in diesem Jahr durfte die Neue Stärke Partei im Rahmen ihrer Demonstration eine Kundgebung direkt vor unserer Einrichtung abhalten. Die Nazis haben hier bereits Legitimation durch die Stadt erfahren und jetzt passieren vermehrt rechte Angriffe und Bedrohungen im Umfeld unseres Hauses. Wir fühlen uns von Verantwortlichen im Stich gelassen, die jetzt eigentlich handeln müssten.“ Durch eine Pressemitteilung der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss wurde in der letzten Woche öffentlich bekannt, dass sich in unmittelbarer Nähe zum AJZ Erfurt eine neu erschlossene Immobilie befindet, welche mutmaßlich von NSP-Mitgliedern als Sammelpunkt genutzt wird.

Auch im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zeigt sich eine ähnliche Gefahrenlage. Die extrem rechte Partei hielt am vergangenen Samstag eine Kundgebung vor dem „Klubhaus der Jugend“ in Saalfeld ab. Die Einrichtung der offenen Jugendarbeit gilt Akteuren der extremen Rechten seit geraumer Zeit als Hassobjekt. Zuletzt war dieses 2018/2019 Schauplatz mehrerer rechter Angriffe gewesen. Zur anhaltenden Situation erklärt Björn Elsen, Fach- und Koordinierungsstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung der Partnerschaft für Demokratie Saalfeld-Rudolstadt: „Die Aktionen der Neuen Stärke Partei am vergangenen Wochenende stellen einen gezielten Angriff auf die Jugendarbeit aber auch Jugendkultur im Allgemeinen bei uns im Landkreis und in Thüringen dar. Mit aggressivem und martialischem Auftreten wird versucht, die Fachkräfte aber auch junge Menschen vor Ort einzuschüchtern.“ 

Elsen berichtet, dass die besorgniserregende Entwicklung bereits seit letztem Herbst für die Arbeit im Landkreis unumgängliches Thema ist. Im April (Betonwerk) und Mai 2022 (Heine-Park) kam es zu rechten Angriffen auf junge Menschen in Rudolstadt. Elsen und Kolleg:innen betonen die Bedeutung politischer Bildung und Jugendarbeit. Die Vorfälle der jüngeren Vergangenheit machen jedoch auch deutlich, dass sich bestimmte Räume in Erfurt und Saalfeld-Rudolstadt erneut zu No-Go-Areas für Betroffene entwickeln. 

Für den Herbst schätzt Theresa Lauß, Beraterin bei ezra, ein: „Mit den Preissteigerungen von Energie- und Lebensmittelkosten und den weiterhin andauernden rechten Mobilisierungen der Querdenken-Proteste, die sich diesem Thema angenommen haben, befürchten wir eine erneute Eskalation rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen. Es wird darauf ankommen, Betroffenen rechter Gewalt solidarisch zur Seite zu stehen und die Augen nicht zu verschließen, wenn Neonazis und Rassist:innen auf der Straße aktiv werden.“

Eine Analyse der Ausgangssituation ist bereits im Juni 2022 unter dem Namen „Thüringer Zustände“ unter Mitwirkung der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und für Demokratie Mobit, dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ), dem Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex) sowie der Betroffenenberatung ezra erschienen.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter:innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.