Am heutigen Montag, dem 01.07.2024, fiel nach 52 Prozesstagen das Urteil im
sogenannten „Knockout 51“-Prozess. In dem Gerichtsverfahren am Oberlandesgericht
Jena waren vier Mitglieder der Neonazi-Kampfsportgruppe „Knockout 51“ aus
Eisenach unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung,
Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das
Waffenrecht angeklagt. Im Gegensatz zum Gericht ordnet die
Generalbundesanwaltschaft die Neonazi-Gruppe als terroristische Vereinigung ein.
Die angeklagten Neonazis wurden nun nach zehnmonatiger Verfahrensdauer zu
mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Bis zur Rechtskräftigkeit der Urteile bleiben die
Neonazis auf freiem Fuß.
Dazu erklärt die für Eisenach zuständige ezra-Beraterin Theresa Lauß: „Der Prozess
hat deutlich gemacht, dass sich im Herkunftsland des ‚NSU‘, erneut eine
rechtsterroristische Struktur weitestgehend ungestört etablieren konnte. Die fehlende
Einordnung als rechtsterroristische Vereinigung durch den Senat ist eine gefährliche
Verharmlosung des gezielten Vorgehens von ‚Knockout 51‘, mit dem auch konkrete
Tötungsabsichten verbunden waren. Die Gefahr, die von dieser militanten Neonazi-
Kampfsportgruppe ausgeht, ist mit diesem Urteil nicht gebannt. Es ist davon
auszugehen, dass die verhangenen Haftstrafen nicht abschreckend wirken werden.
Die skandalöse Urteilsbegründung, die auf ein vermeintliches Notwehrrecht verweist,
ist nicht nur eine Täter-Opfer-Umkehr, sondern könnte die Taten auch noch
legitimieren.“
Spätestens seit 2019 konnte sich „Knockout 51“ als Ordnungsmacht in Eisenach
inszenieren, wobei einzelne Mitglieder schon vorher in Neonazi-Gruppen aktiv und mit
massiven Bedrohungen und Gewalt aufgefallen waren. Im Fokus standen dabei von
ihnen als politische Gegner*innen markierte Personen. Durch den Prozess wurde
bekannt, dass sie sich Waffen beschafft hatten und es konkrete Pläne gab,
vermeintliche Linke zu ermorden. In der Beweisaufnahme zeigte sich auch, dass „Knockout 51“ bundesweit und international Netzwerke zu extrem rechten
Einzelpersonen und Gruppen manifestieren konnte. Unbeeindruckt vom laufenden
Verfahren bauten einige der Mitglieder, zum Teil nach Entlassung aus der
Untersuchungshaft, ihre Kontakte weiter aus. Weitere Prozesse gegen Mitglieder und
Unterstützer von „Knockout 51“ stehen noch aus.
„Die Verantwortlichen müssen sich wieder einmal vorwerfen lassen, dass sie
frühzeitige Warnungen von Betroffenen und Teilen der Zivilgesellschaft in Eisenach
nicht ernst genommen haben. Das Thüringer Polizisten nun auch noch im Verdacht
stehen, Informationen an die militante Neonazi-Gruppe weitergegeben zu haben, ist
ein sicherheitspolitischer Skandal, in dessen Schatten das heutige Urteil steht. Das
Thüringer Innenministerium ist in der Pflicht, endlich für Aufklärung und Transparenz
zu sorgen, um letztlich auch die Betroffenen von ‚Knockout 51‘ darüber zu informieren,
was mit ihren persönlichen Daten passiert ist“, fordert Lauß abschließend.
Laut Anklageschrift soll es einem Angeklagten möglich gewesen sein, Fotos von
Ermittlungsakten zu machen, die danach laut MDR-Recherchen in Neonazikreisen
kursierten. Ein Polizist aus Eisenach soll von den angeklagten Neonazis zudem als
„Kumpel“ und „einer von uns“ bezeichnet worden sein. Anfang Mai wurde bekannt,
dass die Staatsanwaltschaft Gera gegen sechs Thüringer Polizeibeamte ermittelt, die
Informationen an die Neonazi-Gruppe weitergegeben haben sollen, wobei die
Ermittlung gegen einen Beamten mittlerweile eingestellt sind. Es ist davon auszugehen,
dass deswegen auch die Thüringer Polizei in die monatelangen Ermittlungen des
Bundeskriminalamts nicht einbezogen war.
Eine ausführliche Dokumentation eines Großteils der Prozesstage im „Knockout 51“-
Prozess am Oberlandesgericht Jena findet sich auf prozessdoku-thueringen.de.
Zukünftig wird sich dort die Dokumentation aller Prozesstage finden.
ezra arbeitet in Trägerschaft des re:solut e.V. (Rundum engagiert: solidarische
Unterstützung in Thüringen e.V.), einem selbstständigen Werk der Evangelischen
Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle
Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten
Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das
Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für
Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.