Gemeinsame Pressemitteilung des CSD Jena Bündnis und ezra.
Das Bündnis setzt sich auch für die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen in Jena ein
Am 8. Dezember 2021 hatte das CSD Jena Bündnis zum ersten Treffen für die Planungen des CSD Jena 2022 in Emils Ecke in Lobeda West eingeladen. Während die Gruppe drinnen ihr Plenum abhielt, verbrannten Unbekannte draußen ein Banner, welches die Gruppe als Wegweiser aufgestellt hatte. Auf dem Banner war eine queer interpretierte Variante des Jenaer Stadtwappens zu sehen, welches auch bereits beim CSD Thüringen 2020 und CSD Jena 2021 einen Wagen schmückte. Da sich der Eingang von Emils Ecke etwas versteckt hinter einer Hecke befindet, hatte die Gruppe das Banner über einen Aufsteller gehängt und festgeschnürt. Als das Banner später wieder abgenommen werden sollte, musste das Bündnis feststellen, dass Unbekannte dieses in der Zwischenzeit heruntergerissen, angezündet und anschließend wieder lose über den Aufsteller gelegt hatten.
„Wir sind zutiefst schockiert über den Vorfall. Er hat unser Sicherheitsgefühl in Jena signifikant verschlechtert,“ erklärt eine Sprecherin des Bündnisses. Und weiter: „Leider steht er aber auch exemplarisch für die vielen Gründe, weswegen Christopher Street Days heute noch notwendig sind: abgesehen von einer juristischen Gleichstellung, für die wir bis heute kämpfen müssen, haben wir für eine gesellschaftliche Gleichstellung noch viel vor uns.“
Dass auch in den Köpfen der Thüringer*innen noch keine Gleichstellung unabhängig von Sexualität und Geschlecht herrscht, zeigt auch der Thüringen Monitor, welcher zuletzt 2019 Erhebungen zum Thema machte: Dort gaben 42% an, „voll und ganz“ oder „überwiegend“ der Aussage zuzustimmen, dass „Homosexuelle [aufhören sollten], so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen.“ Auch immerhin 14% stimmten der Aussage zu, dass es „nicht in Ordnung“ sei, „wenn Menschen ihr Geschlecht ändern, z.B. durch Operationen und hormonelle Behandlungen.“
„Es ist erschreckend, wie Menschen über uns und unsere Community denken. Leider zeigt sich immer wieder, dass es bei manchen eben nicht nur bei Gedanken bleibt, sondern diese in Taten umgesetzt werden. Immer wieder haben Mitglieder des Bündnisses auch schon über Benachteiligung, abfällige Kommentare und Ähnliches im Alltag berichtet.“ so die Sprecherin. „Dass nun unser Banner angezündet wurde, ist nur ein weiterer Vorfall, der queerfeindlichen Hass in unserer Gesellschaft zeigt. Wir sind froh, dass niemand zu Schaden kam.“
Das CSD Jena Bündnis hat den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige gebracht und steht in Kontakt mit ezra, der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen.
„Bedrohungen und Gewalttaten gegen Menschen der LGBTIQ*-Community sind in Thüringen nicht unbekannt. Betroffen sind auch Aktive, die sich für die Interessen und Sichtbarkeit der Community einsetzen. Beispiele dazu kennen wir aus Erfurt, Altenburg und nun auch Jena. Die Einschätzung der weltoffenen Stadt Jena geht hier fehl: Von Rassismus betroffene Menschen weisen darauf immer wieder hin. Es braucht eine aktive sich solidarisierende Zivilgesellschaft, die jegliche Art rechter Gewalt und Diskriminierung entschieden entgegentritt“, fordert Franziska Schestak-Haase, Beraterin bei ezra.
Das CSD Jena Bündnis möchte den Vorfall aber auch in Motivation umwandeln: „Natürlich löst so etwas Angst, Unsicherheit und Frust aus. Aber es zeigt uns eben auch, wozu wir in Jena jedes Jahr einen großen Christopher Street Day und viele Veranstaltungen von und für die queere Community organisieren.“ Auch deswegen soll 2022 in Jena wieder ein CSD stattfinden, bei dem für rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung gekämpft wird. Details wie ein Termin, das Motto, Rahmenprogramm und mehr sind derzeit in Planung. Menschen, die sich diesen Zielen anschließen und ehrenamtlich im CSD Jena Bündnis mitarbeiten möchten, lädt die Gruppe herzlich zum nächsten Plenum ein: „Wir freuen uns jederzeit über neue Mitstreiter*innen, die gemeinsam mit uns für Gleichstellung, Akzeptanz und Vielfalt eintreten wollen!“ Das nächste Plenum findet am 31. März um 17 Uhr in hybrider Variante statt. Ort und Zugangsdaten werden rechtzeitig über die Social Media Kanäle des Bündnisses veröffentlicht, es gilt die 2G-Regelung.
Website: www.csd-jena.de
Social Media: Facebook (@csd.jena), Instagram (@csd_jena) & Twitter (@csd_jena)
Zum Hintergrund:
Der Christopher Street Day, kurz „CSD“, ist eine politisch Demonstration, deren Ursprung in den USA liegt. An diesem Tag finden Feste zu Ehren der Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgendern, Intersexuellen, Asexuellen und Queeren statt. Der historische Ursprung liegt in der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street (New York), wo am 28. Juni 1969 trans* Personen, Schwarze und andere Minderheiten begannen, sich gegen staatlich legitimierte Polizeiwillkür zu wehren. Es war der Auftakt zu tagelangen Straßenschlachten, die einen Ausgangspunkt der modernen LSBTIQ*-Emanzipationsbewegung darstellen. In Deutschland fand der erste CSD 1972 in Münster statt. Die Bezeichnung „Christopher Street Day“ wird allerdings nur im deutschsprachigen Raum verwendet, im Rest der Welt ist der Begriff „Pride Parade“ geläufig.
In Jena fand der erste CSD 1999 statt. Nach 20 Jahren Pause gründete sich 2019 das CSD Jena Bündnis, welches seither den Christopher Street Day in Jena ausrichtet. Auch im Sommer 2022 wird wieder ein CSD in Jena stattfinden, der Termin dafür wird in den nächsten Wochen bekanntgegeben. Das Bündnis ist offen für alle ehrenamtlichen Menschen, die in gleichberechtigter, solidarischer Zusammenarbeit im Sinne der Geschichte des CSD mitarbeiten möchten.
ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.