Sieben Jahre nach brutalem Neonazi-Angriff in Ballstädt: Kein ‚Schlussstrich‘ zu Lasten der Betroffenen – Thüringer Justiz soll rechtsstaatlicher Verantwortung nachkommen

Am 9. Februar 2014 – vor genau sieben Jahren – überfielen organisierte und militante Neonazis die Feier einer Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha). Bei dem koordinierten, brutalen Angriff wurden zehn Menschen zum Teil schwer verletzt. Bis heute warten die Betroffenen vergeblich auf eine rechtskräftige Verurteilung der Täter*innen, die u.a. teils tief in das Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ und seinem bewaffneten Arm „Combat 18“ oder die Neonazi-Gruppierung „Turonen / Garde 20“ verstrickt sind.

Wie durch Recherchen des MDR kürzlich bekannt wurde, laufen Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, durch die die Angeklagten nun mit Bewährungsstrafen davonkommen könnten. Damit soll eine Neuauflage des Prozesses abgekürzt werden, der durch die Urteilsaufhebung des Bundesgerichtshofs (BGH), aufgrund von Formfehlern in der schriftlichen Urteilsbegründung des Landgerichts Erfurt, notwendig geworden ist.

„Es mutet an, dass man hier versucht, einen ‚Schlussstrich‘ zu ziehen, nur um mit möglichst wenig Aufwand ein selbstverschuldetes Versagen, still und heimlich unter den Teppich zu kehren. Das darf es zu Lasten der Betroffenen nicht geben“, erklärt Franz Zobel, Projektkoordinator der Opferberatungsstelle ezra. „Wir fordern die Staatsanwaltschaft Erfurt und das Landgericht Erfurt dazu auf, ihrer rechtsstaatlichen Verantwortung nachzukommen. Ein Deal, von dem vor allem die militanten Neonazis profitieren würden, wäre ein Justizskandal, der weiter dazu beiträgt, dass in Thüringen seit Jahren rechtsterroristische Strukturen gedeihen können und eine Blamage für den Rechtsstaat.“

„Unsere Solidarität gilt den Betroffenen, ihren Familien und Freund*innen, die seitdem viel durchmachen mussten“, macht Zobel abschließend deutlich. Nicht nur das eineinhalbjährige Gerichtsverfahren mit 44 Verhandlungstagen war eine enorme Belastung für die Betroffenen, sondern auch die kontinuierliche Täter-Opfer-Umkehr und die Nichtanerkennung des politischen Tatmotivs im Urteil des Landgerichts Erfurt. Eine rechtskräftige, angemessene Verurteilung der Täter*innen würde zumindest die Möglichkeit für die Betroffenen eröffnen, endlich mit der Tat abschließen zu können.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.