Saalfelder Neonazi vor Gericht: Betroffene erwarten klares Signal an Täter und Neonazi-Szene

Am morgigen Dienstag, den 28. April 2020, wird die Hauptverhandlung gegen einen der aktivsten Neonazis des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt vor dem Amtsgericht Rudolstadt eröffnet. Unter den zahlreichen Anklagepunkten finden sich mehrere rechte Angriffe gegen politisch aktive junge Menschen aus dem Landkreis. Felix R. befindet sich seit Ende Oktober 2019 in Untersuchungshaft.

Ezra, die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, warnte in der Vergangenheit wiederholt vor der teilweisen massiven Gewalt gegen politisch Aktive im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Betroffen sind vor allem Menschen, die sich gegen Neonazis, Rassismus, Antisemitismus und für Menschenrechte im Landkreis engagieren. „Statt die Betroffenen zu unterstützen, wurden sie seitens der Ermittlungsbehörden immer wieder verdächtig, selbst verantwortlich für die brutalen rechten Angriffe zu sein“, erklärt Franziska Schestak-Haase, die zuständige Beraterin bei ezra.

Die nun erhobene Anklage beinhaltet einen Teil dieser Angriffe. Betroffene müssen nun als Zeug*innen zu den Anklagepunkten, die gegen den organisierten und gut vernetzten Neonazi erhoben wurden, aussagen. Darunter finden sich gefährliche und einfache Körperverletzungen in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung, Sachbeschädigung, Störung der Totenruhe und Verstoß gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz. Verteidigt wird Felix R. u.a. vom Szene-Rechtsanwalt Dirk Waldschmidt. Dieser trat u.a. im NSU-Prozess am OLG München sowie im Ballstädt-Prozess am LG Erfurt für organisierte Neonazis in Erscheinung. Er vertritt aktuell den mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke Stephan E.

„Von den Betroffenen der rechten Gewalttaten wird der Verlauf der Verhandlung sehr genau beobachtet werden. Das Schöffengericht des Amtsgerichtes Rudolstadt hat nun die Möglichkeit, ein klares Signal an den Täter und die hinter ihm stehende neonazistische Szene zu senden. Mit der Inhaftierung Felix R. entspannte sich die Situation in den letzten Monaten. Die rechte Tatmotivation der Angriffe muss thematisiert werden“, führt Schestak-Haase weiter aus. Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt fand sich 2019 (12) sowie 2018 (26) neben Erfurt, Jena und Eisenach an der Spitze der Statistik zu rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen in Thüringen.

Zur Unterstützung der Betroffenen sind für alle bisher geplanten Verhandlungstage Kundgebungen vor dem Amtsgericht Rudolstadt angemeldet, wie das Jugend- und Wahlkreisbüro Haskala der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss in einer Pressemitteilung vom 24.4.2020 ankündigte. Aufgrund der derzeitigen COVID-19-Infektionsgefahr sollten sich Versammlungsteilnehmer*innen und Prozessbeobachter*innen eine Schutzmaske bereithalten und den derzeit üblichen Abstand von 1,5m wahren. Das Gericht informierte bisher noch nicht über entsprechende Maßnahmen. „Ich erwarte, dass das Gericht den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren respektiert als auch den notwendigen Infektionsschutz beachtet. Es wird eine kluge austarierte Lösung gefunden werden müssen“, so Schestak-Haase weiter.

Hintergrund:

Der Neonazi Felix R. gehört neben anderen Neonazis wie Steven H. und Maximilian W. zur sogenannten „Anti-Antifa-Ostthüringen“. Die Struktur steht in geistiger als auch struktureller Nähe zur NSU-Vorläuferorganisation „Thüringer Heimatschutz“ um den Neonazi Tino Brandt. Maximilian W. und Felix R. beteiligten sich im Januar 2016 auch an dem massiven Angriff auf den Leipziger Stadtteil Connewitz. Beide werden sich dafür vor dem Amtsgericht Leipzig wiederfinden.

Verhandlungs- und Kundgebungstermine:  

Dienstag, 28.04.2020, Verhandlungsbeginn: 13:30 / Kundgebung ab 12:30
Montag, 18.05.2020, Verhandlungsbeginn: 9:30 / Kundgebung ab 8:30
Dienstag, 26.05.2020, Verhandlungsbeginn: 9:30 / Kundgebung ab 8:30
Montag, 08.06.2020, Verhandlungsbeginn: 9:30 / Kundgebung ab 8:30  

Amtsgericht Rudolstadt: Marktstr. 54, 07407 Rudolstadt
Sitzungssaal III, 1.OG, Gebäude 117

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.