Broschüre: Die haben uns nicht ernst genommen

Eine Studie zu Erfahrungen von Betroffenen rechter Gewalt mit der Polizei von Matthias Quent, Daniel Geschke und Eric Peinelt. Herausgegeben von ezra.

Die vorliegende Broschüre beschäftigt sich aus der Opferperspektive mit Erfahrungen und Wahrnehmungen von Menschen in Thüringen, die von rechter Gewalt betroffen und in den Jahren 2010–2013 bei der Opferberatungsstelle ezra in Beratung waren. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf dem Umgang der Polizei mit den Gewaltopfern. Ausgangspunkt ist eine theoretische Einführung in das Konzept »Viktimisierung«, seine verschiedenen Facetten, seine potenziellen Effekte und von Möglichkeiten der Unterstützung für Betroffene.

Anschließend werden empirische Befunde offener Interviews sowie einer standardisierten Telefonbefragung mit einer nicht repräsentativen Stichprobe von insgesamt 44 Betroffenen zu ihren diesbezüglichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Meinungen dargestellt. Dadurch ist es möglich zu prüfen, ob es sich bei dem problematischen Verhalten von Polizeibeamt_innen um Einzelfälle handelt oder ob dies häufig auftritt.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die häufig sehr brutale rechte Gewalt vor allem gegen Nichtrechte und politische Gegner_innen richtet sowie aus rassistischen Motiven begangen wird. Die Taten erfolgen meist aus Gruppen von Täter_innen, die sich einzelne oder mehrere Opfer suchen, sie finden häufig in der Öffentlichkeit und vorallem in den späten Nachtstunden statt. Die Täter_innen sind den Opfern meist unbekannt, die Taten wirken dennoch oft organisiert und die Täter_innen sind manchmal, aber nicht immer, alkoholisiert.

Die Polizei kommt, wenn gerufen, meist relativ zügig, manchmal aber auch erst sehr spät oder gar nicht. Das polizeiliche Handeln in der Tatsituation ist aus Sicht der Betroffenen häufig sehr problematisch. So fühlen sich viele von der Polizei nicht ernst genommen, haben das Gefühl, als Täter_innen und nicht als Opfer behandelt zu werden, und sehen sich mit Vorurteilen seitens der Beamt_innen konfrontiert. Mehr als die Hälfte hat zudem den Eindruck, die Polizei sei nicht an der Aufklärung der politischen Motive der Tat interessiert.

Nur in wenigen Fällen informieren die Beamt_innen die Gewaltopfer über alle ihnen zustehende Ansprüche und Rechte. Auch im Nachtatsbereich (das heißt bei Zeugenaussagen im Polizeirevier) fühlen sich viele der Befragten eingeschüchtert oder ungerecht behandelt und nehmen ein mangelndes Interesse an der Aufklärung der Motive der Gewalttat wahr. Zudem ist knapp ein Drittel der Befragten im Alltag von häufigen Polizeikontrollen betroffen (sog. Racial Profiling).

Viele Betroffene berichten auch Jahre nach dem Vorfall noch von psychischen und körperlichen Problemen. Die meisten Befragten fürchten, erneut zu Gewaltopfern zu werden. Sie versuchen, die Gewalterfahrung mit verschiedenen Methoden zu verarbeiten. Während manche ihre Fitness trainieren oder Gegenstände zur Selbstverteidigung mitführen, berichten viele von Vermeidungsverhalten: So wird der Tatort oder ihm ähnliche Orte oder ganz allgemein die Öffentlichkeit zu bestimmten Zeiträumen gemieden. Jeder Fünfte würde Thüringen am liebsten verlassen, das Vertrauen in Polizei und Gerichte ist geschmälert.

Zusätzlich wurde auch der Umgang des sozialen Umfelds der Betroffenen mit rechter Gewalt erfragt. Dabei ergab sich, dass jede_r Dritte vom Umfeld für die Eskalation der Situation verantwortlich gemacht wird. Außerdem sind auch im Umfeld der Befragten Angst vor rechter Gewalt und entsprechende Vermeidungsstrategien weit verbreitet.

Nach dem zusammenfassenden Fazit werden abschließend Empfehlungen von den Betroffenen und den Autoren der Studie zur Verbesserung der dokumentierten Missstände bei der Thüringer Polizei gegeben.

Hier finden Sie die komplette Studie zum Download