Berufungsverfahren am Landgericht Gera gegen „Jungsturm“-Neonazi Felix R. nach rechter Angriffsserie in Saalfeld: ezra erwartet bedrohliche Situation vor Gericht – Opferberaterin fordert Schutz für Betroffene und Zeug*innen

Am Mittwoch, den 18.11.2020, beginnt um 9 Uhr das Berufungsverfahren gegen den Saalfelder Neonazi Felix R. am Landgericht Gera. In erster Instanz wurde Felix R. am 9. Juli 2020 zu drei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Amtsgericht Rudolstadt sah die 15 angeklagten Delikte zum großen Teil als erwiesen an und berücksichtigte das rechte Tatmotiv strafverschärfend.

Nach eingelegten Rechtsmitteln durch Verteidigung und Staatsanwaltschaft müssen Betroffene und Zeug*innen nun erneut vor Gericht aussagen. Während der Verhandlungstage am Amtsgericht Rudolstadt waren zahlreiche organisierte Neonazis vor Ort. Sie kamen zur Unterstützung des Angeklagten und fielen immer wieder durch aggressives Verhalten auf. „Für die Betroffenen und Zeug*innen ist das eine enorme Belastung“, macht die zuständige ezra-Beraterin Franziska Schestak-Haase deutlich. „Diese und auch Mitarbeiterinnen von uns wurden bedrängt und beleidigt. Wir erwarten vom Landgericht Gera, dass sich solche Szenen nicht wiederholen und dass die Betroffenen und Zeug*innen geschützt werden.“

Auch aufgrund des zeitgleich stattfindenden Verfahrens gegen die Neonazis Theo W., Steve W., Marco K. und Robin B. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung unter dem Namen „Jungsturm“ wird erneut eine bedrohliche Situation vor dem Gericht erwartet. Die kampfsporterfahrenen Angeklagten kämpften teilweise bereits gemeinsam mit Felix R., der ebenfalls dem „Jungsturm“ aus dem Fanspektrum des FC Rot Weiß Erfurt zugerechnet wird. Videos von sog. „Ackermatches“ gingen in die Beweisführung gegen Felix R. ein. Zwei Überfälle, für die sich R. verantworten muss, fanden mutmaßlich unter Beteiligung des „Jungsturm“ statt, darunter ein Überfall auf eine Gruppe junger Carl-Zeiss-Fans am 22.2.2019 in Saalfeld-Gorndorf. Weiterhin bestehen gemeinsame Beteiligungen bspw. am koordinierten Überfall auf den alternativen Stadtteil Leipzig-Connewitz im Januar 2016 und dem Neonazi-Kampsport-Event „Tiwaz“ am 8. Juni 2019 im sächsischen Zwickau.

„Seit der Inhaftierung des Neonazis Felix R. Ende Oktober 2019 hat es keine rechten Angriffe dieser Art in Saalfeld mehr gegeben, die uns bekannt geworden sind. Damit wurde eine Angriffsserie gegen zahlreiche Betroffene in der Kreisstadt beendet, die als vermeintlich politische Gegner*innen Ziel rechter Gewalt wurden“, erklärt Schestak-Haase. In den Jahren 2018 und 2019 registrierte die fachspezifische Opferberatung 29 rechte Angriffe im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, v.a. in Saalfeld. Ein Großteil dieser wird dem Angeklagten zugerechnet, welche diesem nur zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden konnten. „Die Inhaftierung und Verurteilung in erster Instanz hatten auch eine Signalwirkung an die weiterhin aktive Neonazi-Szene in der Region. Wir erwarten deshalb von der Berufungskammer der 5. Strafkammer am Landgericht Gera, dass das Urteil gegen den Neonazi-Schläger mindestens bestätigt wird“, schließt Schestak-Haase.

Verhandlungstage im Berufungsverfahren gg. Felix R. am Landgericht Gera:

  • Mittwoch, 18.11.2020, ab 9 Uhr
  • Mittwoch, 25.11.2020, ab 9 Uhr
  • Mittwoch, 02.12.2020, ab 9 Uhr
  • Dienstag, 22.12.2020, ab 9 Uhr

Sitzungssaal 003 / EG / Haus 2, Schloßstr. 26 / Amthorstr. 1, Gera

Zur Unterstützung der Kostendeckung für die juristische Begleitung einiger Zeug*innen wird um Spenden gebeten. Unter dem Stichwort „Saalfeld“ können diese an den Opferhilfsfonds der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands gerichtet werden.

Spendenkonto Opferberatung

IBAN DE60 5206 0410 0008 004820
BIC GENO DEF 1EK1 (Bank Ev. Kreditgenossenschaft e. G.)
Kennwort „Saalfeld“

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.