Livestream der Paneldiskussion aus Erfurt am 8.10.2020 von 19:00 – 20:30: www.gegenuns.de/diskussion
mit: Garip Bali (Berlin), Rashid Jadla (Erfurt), Angelika Nguyen (Berlin), José Paca (Erfurt) moderiert von Ceren Türkmen (VBRG)
Mit dem Zeitzeug*innen-Gespräch zur Webdokumentation gegenuns.de erinnern die Thüringer Opferberatungsstelle ezra, der Verband für Beratungsstellen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Antira Berlin (ABA) an Alltagserfahrungen mit rechter Gewalt, Rassismus und Nationalismus und migrantischer Selbstorganisation, die im Windschatten der Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum des Mauerfalls allzu oft in Vergessenheit geraten. Die Berichte der Zeitzeug*innen der Paneldiskussion bilden ein wichtiges Gegennarrativ zu den überwiegenden Erzählungen der Jubiläumsfeierlichkeiten zur deutschen Einheit.
„Rechte Gewalt und Rassismus haben sich in Thüringen – wie in allen ostdeutschen Bundesländern – seit dem Mauerfall auf einem erschreckend hohen Niveau normalisiert. Das häufigste Tatmotiv ist dabei Rassismus. Darin besteht eine Kontinuität bis in die Zeit vor 1990. Die Erfahrungen von Rashid Jadla und José Paca, Angelika Nguyen und Garip Bali stehen stellvertretend für die Erfahrungen vieler Menschen, die gegen den alltäglich erlebten Rassismus unterschiedlichste Formen des selbstorganisierten Widerstands entwickelt haben. Dies wird in der Paneldiskussion und der Webdokumentation gegenuns.de sichtbar“, betont ezra-Projektkoordinator Franz Zobel.
Das Diskussionspanel findet im Rahmen der Webdokumentation www.gegenuns.de statt, eines von 30 nominierten Projekten bei der Preisverleihung des Bürgerpreises „Einheitspreis“. Die Preisverleihung wird am 2. Oktober 2020 online stattfinden: www.einheitspreis.de. Die Dokumentation „Gegen uns. Betroffene im Gespräch über rechte Gewalt nach 1990 und die Verteidigung der solidarischen Gesellschaft“ berichtet in einzelnen Episoden über Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und über ihre persönlichen Erfahrungen von Gewalt, Ausgrenzung und Kriminalisierung, aber auch von gelebter Solidarität und erfolgreichem Widerstand. Fotos, zeitgeschichtliche Dokumente und Hintergrundtexte ergänzen die Erzählungen und zeigen den gesellschaftlichen Kontext, in dem rechte Gewalt stattfindet. Die zweite Episode fokussiert das Leben in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Zentrale Akteure sind Rashid Jadla und José Paca.
Die Diskussion am 8.10. wird von 19 bis 20:30 Uhr per Livestream übertragen. In Berlin findet ein kostenfreies, aber pandemiebedingt anmeldepflichtiges Public Viewing im Kino Central in Berlin-Mitte statt.
Veranstaltungs-Livestream: www.gegenuns.de/diskussion
Anmeldung für Public Screening: info@verband-brg.de
www.verband-brg.de / www.ezra.de / www.facebook.com/AktionAntira
Zur Webdokumentation gegenuns.de:
Webdokumentation „Gegen uns“, Episode „Rassismus, rechte Gewalt und Migrantifa in Erfurt“: https://gegenuns.de/rashidjadla/
Anhand von ausgewählten Porträts, Interviews und zeitgeschichtlichen Dokumenten aus unterschiedlichen Bundesländern dokumentiert #gegenuns auch vielfältige Formen von Widerstand und Solidarität. Veröffentlicht wurden bisher Porträts des 1991 in Dresden bei einem Neonazi-Angriff getöteten ehemaligen Vertragsarbeiters Jorge Gomondai (https://gegenuns.de/jorge-gomondai/) und des Erfurter Rappers Sonne Ra. Am 26. Oktober 2020 folgt eine Episode zu der 2007 in Dresden aus antimuslimischem Rassismus getöteten Apothekerin Marwa El-Sherbini. Jede Episode dokumentiert neben der lebensbiographisch-persönlichen Erzählung auch die strafrechtliche (Nicht-)Aufarbeitung, die Erinnerungspolitik vor Ort und die persönliche und zivilgesellschaftliche Aufarbeitung.
Hintergrundinformationen zu teilnehmenden Zeitzeug*innen:
Rashid Jadla wurde 1978 in Erfurt geboren. Er ist Sohn eines algerischen Vertragsarbeiters und einer DDR-Bürgerin. Auf gegenuns.de erzählt er von Ausgrenzung, Rassismus und den Diskriminierungserfahrungen, die er bereits als Kind in der DDR erleben musste, aber auch von gelebter Solidarität und Widerstand. Rashid beginnt sich nach der Maueröffnung mit anderen Menschen, die ebenfalls von Rassismus betroffen sind, zu organisieren und findet bald Kraft im Hip-Hop. Er organisiert Hip-Hop-Partys und schafft so sichere Räume, in denen migrantische Jugendliche fernab ihres Alltags nicht ständig mit Diskriminierung konfrontiert sind. Rashid rappt bis heute unter dem Namen „Sonne Ra“. Demnächst erscheint sein neues Album „Superposition“.
José Paca wurde 1961 in Angola geboren. Seit seinem 18. Lebensjahr arbeitete er für die damalige angolanische Regierung als Verwaltungsbeamter, bevor er 1989 wenige paar Monate, bevor die Mauer fällt, als Austauschstudent nach Erfurt in die letzten Monate der DDR kommt. In „Gegen uns“ erzählt José Paca von menschenverachtenden, rassistischen Verhalten, mit dem er in der DDR und nach dem Mauerfall im wiedervereinigten Deutschland konfrontiert wird. Die Notwendigkeit der Vernetzung von Migrant*innen und die Stärke, die daraus erwächst, sind José Pacas Lebensthema. 2014 wurde er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er war und ist zudem ein wichtiger Mentor für Rashid Jadla und andere von Rassismus betroffene Jugendliche in Erfurt. José Paca ist langjähriger Vorsitzender des Ausländerbeirats in Erfurt, Vorsitzender des Vereins „Afro Sport“ und Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst).
Angelika Nguyen wurde in derDDR als Kind deutsch-vietnamesischer Eltern geboren und studierte Filmwissenschaft an der Filmhochschule Babelsberg. Sie drehte 1992 den Dokumentarfilm „Bruderland ist abgebrannt“ über die Erfahrungen vietnamesischer Migrant*innen in Ostberlin. Ihr Essay „Mutter, wie weit ist Vietnam?“ über den Rassismus in ihrer Kindheit erschien 2011 in dem Sammelband „Kaltland“ im Rotbuchverlag. Sie arbeitet als Autorin, Referentin und Filmjournalistin und schreibt u.a. für ZEIT-Online, Jalta, telegraph.cc, WerkstattGeschichte. Sie ist Mitglied bei korientation e.V., einem Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven und im Kuratorium des Hauses für Demokratie und Menschenrechte.
Garip Bali lebt seit Anfang der 1971 in Berlin. Seine Eltern migrierten Ende der 1960er-Jahre als kurdisch-alevitische Gastarbeiter*innen nach Berlin. Er studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin und engagierte sich bereits seit den 1970ern und 1980er Jahren im „Arbeiter- und Jugendverein aus der Türkei“. Garpi Bali gehört zu den Mitbegründern des Vereins ADA, der sich in den 1990er Jahren mit Antirassismus und Antifaschismus auseinandersetzte. 2004 schließt sich der Verein mit anderen Gruppen aus ähnlichen Kontexten zum „Allmende – Haus alternativer Migrationspolitik“ zusammen, wo er bis heute aktiv ist. Sie organisieren antirassistische Kampagnen, Veranstaltungen und Aktionen und sind Herausgeber der Zeitschrift „Inisiyatif – gegen Faschismus und Rassismus“ auf Türkisch/Deutsch.
ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.