Wissenschaftliche Überprüfung zu Todesopfern rechter Gewalt in Thüringen – Opferberatung ezra begrüßt die Initiative von Fachpolitiker*innen der Landesregierung

Katharina König-Preuss (Die Linke), Diana Lehmann (SPD) und Madeleine Henfling (Bündnis 90 / Die Grünen) kündigen an die von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Presse aufgelisteten Todesfälle rechter Gewalt in Thüringen von einer unabhängigen und wissenschaftlichen Stelle überprüfen lassen zu wollen. Dazu erklärt Christina Büttner, Projektkoordinatorin von ezra, der Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen: „In Thüringen ist bisher nur ein Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 von staatlichen Stellen offiziell anerkannt. Das kann unserer Einschätzung nach nicht die Wirklichkeit abbilden. Uns sind mindestens sieben weitere Verdachtsfälle bekannt, die durch Journalist*innen und zivilgesellschaftliche Initiativen recherchiert wurden.“ Die Beratungsstelle fordert deshalb schon seit langem eine wissenschaftliche Überprüfung und sieht in ihr eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung im Umgang mit rechten Gewalttaten.

„Die offizielle Anerkennung des rechten Tatmotivs ist eine Voraussetzung für die Verarbeitung der Tat bei den Hinterbliebenen und wird ihrem Bedürfnis nach Aufklärung gerecht. Zudem könnte eine wissenschaftliche Überprüfung auch zu Verbesserungen bei der zukünftigen Einordnung der Tatmotive durch die Ermittlungs- und Justizbehörden führen. Es bietet auch die Chance, eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über rechte, rassistische und antisemitische Gewalt anzustoßen, in der die tödliche Dimension dieser menschenverachtenden Ideologien thematisiert werden kann“ erklärt die Projektkoordinatorin. Die Opferberatungsstelle fordert ein transparentes Verfahren, in dem auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Fachjournalist*innen einbezogen sind. Ein Vorbild sieht ezra in der Überprüfung von Altfällen „Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt“ durch das „Moses Mendelssohn Zentrum“ in Brandenburg. In Berlin hatte das Landeskriminalamt Forscher*innen des „Zentrum für Antisemitismusforschung“ damit beauftragt.

Im April hatten die Filmpirat*innen in Zusammenarbeit mit ezra den Film „Das blinde Auge – Ein Todesfall in Thüringen“ veröffentlicht. In einer aufwändigen Recherche hat Jan Smendek von den Filmpirat*innen das sozialdarwinistische Motiv des Mordes an Axel U. in Bad Blankenburg im Jahr 2001 herausgearbeitet. „Der Film macht deutlich, dass Mängel in der Wahrnehmung, Erfassung und Ermittlung rechter Straf- und Gewalttaten bei den Ermittlungsbehörden bis heute bestehen. Wie gefährlich ein Nichterkennen der Tatmotive ist, zeigt beispielsweise das staatliche Versagen im Fall der rassistisch motivierten Morde des NSU“ verdeutlicht Büttner. Mit der Ausstellung „Angsträume“ thematisiert ezra die Fälle von Todesopfern rechter Gewalt in Thüringen.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.