Verfahren nach brutalem rassistischen Angriff im Erfurter Südosten 2020 beginnt:
Kostendeckung für Nebenklagevertretung ungeklärt

Der für den 23.11.22 angekündigte Prozess-Beginn zum brutalen rassistischen Angriff im Stadtteil Herrenberg verschiebt sich. Voraussichtlich findet der Termin nächste Woche statt. Der nächste Termin ist für Mittwoch, 30.11.22, um 9:30Uhr, angesetzt. Wir informieren dazu auf unseren Social Media Kanälen.

Zwei Jahre nach dem brutalen rassistischen Angriff auf drei junge Männer im Erfurter Stadtteil Herrenberg im direkten Umfeld der damaligen Vereinsräumlichkeiten der Neonazigruppierung „Neue Stärke Erfurt“ (damals „Der Dritte Weg“) beginnt am Mittwoch die Hauptverhandlung gegen zehn Angeklagte. Einer der Betroffenen wurde beim Angriff so schwer verletzt, dass er zeitweise in Lebensgefahr schwebte. Der Angriff wirkt nach: Für einen der drei Betroffenen bedeutete dies, Thüringen zu verlassen. Manche der Angeklagten sind bereits als gewalttätige Neonazis in Erscheinung getreten sind. Sie lassen sich zum Teil von bundesweit bekannten rechten Szene-Anwälten verteidigen.

„Dass bei dieser besonders schweren Straftat das Gericht den Betroffenen keine kostenneutrale Beiordnung der Nebenklagevertretung ermöglich, ist absolut unverständlich. Während die angeklagten Neonazis mit je einem Verteidiger vertreten sind, wird der marginalisierte gesellschaftliche Status der Betroffenen im Prozess fortgesetzt. Von Staatsanwaltschaft und Gericht erwarten wir nun, dass das rassistische Tatmotiv und der neonazistische Hintergrund der Täter herausgearbeitet und in der Strafzumessung berücksichtigt wird“, erklärt Franziska Schestak-Haase, Beraterin bei ezra.

Die Lokalgruppe Thüringen der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland und ezra problematisierten in einer gemeinsamen Pressemitteilung im August 2020 den zum Alltag gewordenen Rassismus in der Thüringer Landeshauptstadt und die ausbleibende Verantwortungsübernahme gegen diese unhaltbaren Zustände. Auch im Rückblick muss die Stadt weiterhin als Schwerpunkt rassistischer Gewalt im Freistaat betrachtet werden: von 28 Fällen rechter Gewalt in 2021 waren 22 rassistisch motiviert – keine andere Kommune erreicht diese Zahl. „Welche Konsequenzen werden aus dieser Feststellung gezogen? Eine Antwort darauf bleiben politische Verantwortungsträger:innen bis heute schuldig“, stellt Schestak-Haase fest.

Abschließend erklärt die Opferberaterin: „Die Konfrontation mit den Tätern, die die Betroffenen erst rassistisch beleidigt und dann brutal attackiert hatten, wird für die Betroffenen eine große psychische Belastung. Die Aussagen der Betroffenen werden noch in diesem Jahr erwartet. Dafür wünschen sich die Betroffenen solidarische Unterstützung im Gerichtssaal.“

Nachdem die Hauptverhandlung im Februar nicht terminiert werden konnte, weil kein passendes Gebäude zur Verfügung gestellt wurde, beginnt nun der Prozess am Mittwoch, den 23. November 2022, ab 9:30 Uhr am Landgericht Erfurt (Ausweichobjekt: Juri-Gagarin-Ring 105-107, 99084 Erfurt). Weitere Termine sind für mittwochs, ab 9:30 Uhr bis Ende Februar 2023 geplant.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.