Urteil zu brutalem rassistischen Angriff am Erfurter Herrenberg 2020 erwartet: Opferberatung ezra fordert Untersuchungshaft für angeklagte Neonazis wegen Wiederholungsgefahr

Fast drei Jahre nach dem brutalen rassistischen Angriff auf drei junge Männer im Erfurter Stadtteil Herrenberg im direkten Umfeld der damaligen Vereinsräumlichkeiten der Neonazi-Gruppierung „Neue Stärke Erfurt“ soll am Montag das Urteil am Landgericht Erfurt gesprochen werden. Seit November 2022 mussten sich zunächst zehn Angeklagte, die bereits teilweise als gewalttätige Neonazis vorbestraft sind, wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verantworten. Gegen drei Angeklagte ist das Verfahren bereits eingestellt, weil ihnen konkrete Tathandlungen nicht nachgewiesen werden konnten.

Dazu erklärt die zuständige Beraterin Franziska Schestak-Haase bei ezra, der Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen: „Dass ein großer Teil der Angeklagten bereits in der Vergangenheit als brutale Neonazi-Schläger in Erscheinung getreten sind, macht deutlich, wie groß die Gefahr ist, dass sich deren Ideologie erneut in einem rechten oder rassistischen      Angriff entlädt. Im Falle einer Verurteilung könnte das durch die Verhängung einer Untersuchungshaft verhindert werden.“ Im Vergleich zu vorherigen Urteilen, wie beispielsweise  im Ballstädt- oder Fretterode-Verfahren, sei zudem eine zügige Rechtskraft zu gewährleisten.

„In der Zeit, in der kein rechtskräftiges Urteil besteht, können die Betroffenen, die nun so lange auf einen Abschluss des juristischen Verfahrens gewartet haben, keine Ruhe finden. Auch die angeklagten Neonazis, die zu großen Teilen in der extrem rechten Szene organisiert sind, können weiterhin rechte Hegemonie und No-Go-Areas aufrechterhalten“, so die Beraterin weiter. Gerade in der Landeshauptstadt Erfurt – seit Jahren Schwerpunkt rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen – sei das fatal und lebensgefährlich für (potenziell) betroffene Personen. 

Zu den Erwartungen an das Urteil äußert Schestak-Haase: „Während die Verteidigung geschlossen auf Freispruch plädierte, ließ sich die Staatsanwaltschaft Erfurt nicht auf deren Täter-Opfer-Umkehr ein und konstatierte ein rassistisches Tatmotiv, forderte zudem Haftstrafen für alle verbliebenen Angeklagten. Wir begrüßen diese Entwicklung, in der rassistische Tatmotive von der Staatsanwaltschaft klar benannt werden und sehen in dem Plädoyer eine gute Grundlage für die Entscheidung des Gerichts.“

Neben spürbaren Konsequenzen für die Angeklagten und damit auch für die militante organisierte Neonaziszene sei aber auch Solidarität für die Betroffenen notwendig: „Die Angsträume, die die Täter auf der Straße schaffen, dürfen nicht im Gerichtssaal fortbestehen. Es braucht Unterstützung in Form einer solidarischen Prozessbegleitung vor Ort durch eine engagierte Zivilgesellschaft, um den Betroffenen deutlich zu machen, dass sie nicht allein sind“, macht Franziska Schestak-Haase abschließend deutlich.

Das Urteil wird am 15.05. nach den letzten Worten der Angeklagten am Landgericht Erfurt (Juri-Gagarin-Ring 105-107, Sitzungssaal 0.02) verkündet, der Prozess beginnt um 09:30 Uhr.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.