Urteil im Prozess gegen Eisenacher Neonazis: Opferberatung und Betroffene begrüßen Verurteilung, kritisieren jedoch Nicht-Anerkennung des politischen Tatmotivs

Gestern wurde am Amtsgericht Eisenach das Urteil gegen die zwei stadtbekannten Neonazis Kevin N. und Florian F. verkündet. Den beiden Angeklagten, die organisierten und militanten Neonazistrukturen in Thüringen zuzurechnen sind, wurden von der Staatsanwaltschaft Meiningen eine beachtliche Anzahl von Straftaten vorgeworfen. Darunter waren mehrere gefährliche Körperverletzungen auf Menschen, die sich engagiert und couragiert gegen Neonazis positionieren oder aufgrund ihrer Herkunft nicht in das menschenfeindliche Weltbild der Täter passen. Das Gericht sah die angeklagten Straftaten teilweise als erwiesen an und verurteilte Kevin N. und Florian F. zu Freiheitsstrafen, die zu je drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurden sowie zu zwei Wochen Dauerarrest. Zudem muss ein Angeklagter Schmerzensgeld an einen Betroffenen zahlen.

„Für die Betroffenen, die im Prozess vor den Tätern aussagen mussten, ist das Urteil des Gerichtes zunächst eine Erleichterung. Das rechtsstaatliche Signal an die Täter ist für die betroffenen Menschen in Eisenach von enormer Bedeutung, denn bisher haben sie von staatlichen Verantwortungsträger*innen kaum Aufmerksamkeit für die Situation vor Ort bekommen“, erklärt ezra-Mitarbeiterin Theresa Lauß.

Der politisch motivierte Hintergrund der Taten, der offensichtlich handlungsleitend war, wurde vom Gericht jedoch nicht anerkannt und bei der Strafbemessung berücksichtigt. Leider ist das aus Erfahrung von ezra an Thüringer Gerichten die Regel, obwohl das Strafgesetz hinsichtlich der Beweggründe und Ziele des Täters bereits vor zwei Jahren nachgebessert wurde. „Die Betroffenen fühlen sich in dieser Hinsicht von der Justiz nicht ernst genommen. Die Täter machen aus ihrer neonazistischen Ideologie kein Geheimnis. Dass diese nicht ausschlaggebend für die Tatbegehung gewesen sein soll, können wir nicht nachvollziehen“, kommentiert Lauß weiter.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Sowohl die Täter als auch die Staatsanwaltschaft Meiningen können nun innerhalb einer Woche Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.