Thüringer Demokratieprojekte schlagen Alarm: Corona-Proteste in Thüringen sind größte rechtsextreme Mobilisierung seit Jahren

MOBIT, IDZ, KomRex und ezra schlagen Alarm: Die anhaltenden Corona-Proteste in Thüringen werden durch die größte rechtsextreme Mobilisierung seit Jahren begleitet und teilweise gesteuert. Die zunehmende Radikalisierung der Proteste entwickelt sich zu einer dauerhaften Krise für die Demokratie. Die wöchentliche Teilnahme von thüringenweit bis zu zehntausenden Menschen an den Protesten, die von demokratiefeindlichen Ideologien geprägt sind und mit der eine Zunahme von rechten Bedrohungen und Gewalt einhergeht, verdeutlicht die hohe Eskalationsstufe.

„Auch wenn nur ein Teil der Protestierenden der extremen Rechten zugeordnet werden kann, so sind demokratiefeindliche Ideologien, wie Antisemitismus, Verschwörungserzählungen und Autoritarismus, der gemeinsame Nenner. Auf den Demonstrationen und im Netz beobachten wir eine enorm aggressive Haltung gegenüber der parlamentarischen und pluralistischen Demokratie und ihren Akteur:innen, die sich in einem gefährlichen Ausmaß immer weiter radikalisiert“, erklärt Romy Arnold, Projektleiterin von MOBIT, der Mobilen Beratung in Thüringen – Für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

Die fortgeschrittene Radikalisierung zeige sich auch anhand von rechten Bedrohungen und Gewalttaten, wie Franz Zobel, von ezra, der Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, bestätigen kann: „Im Fokus der Pandemieleugner:innen, Querdenker:innen, Impfgegner:innen und Neonazis stehen Politiker:innen, Journalist:innen, Mitarbeitende in Verwaltung, Service oder Gesundheitswesen und zivilgesellschaftlich Engagierte. Mit großer Sorge beobachten wir, dass diese nicht davor zurückschrecken, Waffen einzusetzen und den Tod von Betroffenen in Kauf nehmen. Wir halten in diesem Zusammenhang die Gefahr von rechtsterroristischen Anschlägen für extrem hoch.“

„Eine Radikalisierung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern baut auf Akteur:innen auf, die seit Jahren in der rechtsextremen Szene in Thüringen aktiv sind. Diese bestimmen die Demonstrationen maßgeblich mit. Was uns alarmiert ist, dass sich bei den Corona-Protesten zeigt, dass Menschen, die sich als bürgerlich und nicht rechtsextrem verstehen, dennoch einen Schulterschluss mit Rechtsextremen eingehen, die aus dem neonazistischen, neu-rechten und Reichsbürger Spektrum kommen. Als zentraler rechtsextremer Akteur muss die AfD in Thüringen gesehen werden, die Interesse an der Inszenierung einer ‚freiheitlichen Volksbewegung‘ gegen die etablierte Politik und gesellschaftliche Institutionen hat“, betont Dr. Axel Salheiser, Wissenschaftler am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ).

Auch Dr. Cynthia Möller, Geschäftsführerin des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Friedrich-Schiller-Universität Jena (KomRex), verdeutlicht: „Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr, sondern muss in einem lang bestehenden gesellschaftlichen Klima gesehen werden, der den Nährboden für solche Radikalisierungsprozesse bietet. Das zeigen auch die Ergebnisse des Thüringen Monitors 2020. Dort konnten wir unter anderem eine deutliche Überlappung zwischen pandemieskeptischen und rechtsextremen Einstellungen feststellen.“

Die Thüringer Demokratieprojekte fordern eine kritische Auseinandersetzung mit den langfristigen, demokratiegefährdenden Entwicklungen, denn die Proteste in der Corona- Pandemie sind Ausdruck von bereits seit Jahren erodierten Institutionenvertrauen und Verdrossenheit gegenüber Staat und Gesellschaft. Es gilt, antidemokratischer Agitation und Mobilisierung konsequenter entgegenzutreten. Dafür braucht es ein breites parteiübergreifendes Bündnis aller demokratischen Akteur:innen. Nötig ist die schnelle und langfristige Stärkung von Zivilgesellschaft und Projekten im Bereich der Demokratieförderung. Nur dadurch kann der enormen Gefahr für die Demokratie in Thüringen dauerhaft begegnet werden. Die vier Projekte sind Ansprechpartner für die kritische Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Mobilisierungen im Freistaat. Sie stehen für die Beratung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen und Betroffener von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie für wissenschaftliche Expertisen im Themenfeld zur Verfügung.