Pressemitteilung VBRG e.V.: „Ein Jahr nach dem Urteil im NSU-Prozess kann es keinen Schlussstrich geben“

„Ein Jahr nach dem Urteil im NSU-Prozess kann es keinen Schlussstrich geben: Denn weder haben die Hinterbliebenen und Verletzten des NSU-Terrors Antworten auf zentrale Fragen und Forderungen erhalten, noch ist ein Ende der Verharmlosung bewaffneter Neonazi-Netzwerke wie Combat 18 und Nordkreuz durch Ermittlungsbehörden und politisch Verantwortliche in Sicht.“

„Staat und Gesellschaft müssen die Lehren aus der Mord- und Anschlagsserie des NSU endlich ernst nehmen: Rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Terror und Gewalt gegen politische Gegner*innen sind nicht abstrakt, sondern eine reale Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Betroffenen.“

„Ein Jahr nach dem Urteil im NSU-Prozess kann es keinen Schlussstrich geben: Denn weder haben die Hinterbliebenen und Verletzten des NSU-Terrors Antworten auf ihre Fragen und Forderungen erhalten, noch ist ein Ende der Verharmlosung bewaffneter Neonazi-Netzwerke wie Combat 18 und Nordkreuz durch Ermittlungsbehörden und politisch Verantwortliche in Sicht“, betont Franz Zobel vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.). Umso wichtiger seien daher die zahlreichen lokalen Kundgebungen und Demonstrationen unter dem Motto „Kein Schlussstrich“ in NSU-Tatortstädten wie Dortmund und andernorts durch Initiativen und Bündnisse vor Ort.

„Staat und Gesellschaft müssen die Lehren aus der Mord- und Anschlagsserie des NSU endlich ernst nehmen: Rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Terror und Gewalt gegen politische Gegner*innen sind nicht abstrakt, sondern eine reale Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Betroffenen“, sagt Kai Stoltmann, Berater bei zebra in Schleswig-Holstein und im Vorstand des VBRG e.V.. Stoltmann verweist auf die so genannte „Feindesliste“ des „Nordkreuz“-Netzwerks und die wiederholten Morddrohungen gegen Kommunalpolitiker*innen, Flüchtlingsunterstützer*innen und Antifaschist*innen wie beispielsweise den Sprecher des Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts. „Alle, die im Visier rechter Terrornetzwerke und auf ‚Feindlisten’ stehen, müssen vom BKA und den Landeskriminalämtern umfassend informiert werden, um ihre Gefährdung selbst einschätzen und ggf. Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.“ Auch der Name und die Adresse des Anfang Juni ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) war schon Mitte der 2000er Jahre in einer der „Feinddatensammlungen“ des NSU aufgeführt. Der unter dringenden Tatverdacht stehende Neonazi Stephan E. bewegte sich inmitten des mutmaßlichen Unterstützerumfelds für den NSU-Mord an Halit Yozgat im April 2006 in der Kasseler Nordstadt.

Anlässlich des ersten Jahrestags der Urteilsverkündung im NSU-Prozess sowie der Ermordung von Walter Lübcke fordern die Opferberatungsstellen daher erneut konkrete und wirksame Maßnahmen in der Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und rassistisch motiviertem Terror. „Dazu gehört dringender denn je ein Ende des Prinzips ‚Quellenschutz vor Strafverfolgung’ für Neonazis, die als V-Leute und Informanten von Geheimdiensten und Polizeien vor Ermittlungen geschützt werden sowie ein Ende der Aufklärungsblockade durch die Verfassungsschutzämter“, sagt Franz Zobel vom VBRG. „Das hessische Innenministerium muss die noch immer für 40 Jahre gesperrten Akten zum NSU Komplex sofort freigeben, um eine weitreichende Aufklärung zu ermöglichen“, betont Olivia Sarma von der hessischen Beratungsstelle response in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Zudem müssten alle bislang unaufgeklärten Verdachtsfälle von rassistischer und rechter Gewalt in Kassel und Nordhessen neu untersucht werden und mit einer Enquete-Kommission im Bundestag eine längst überfällige gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung zu Rassismus begonnen werden.

Die Opferberatungsstellen unterstützen darüber hinaus Überlebende und Verletzte der NSU-Anschläge in Köln in ihrer Auseinandersetzung um ein Mahnmal an einem Ort ihrer Wahl in Sichtweite des Anschlagsorts in der Keupstraße. Der von den Bewohnern der Keupstraße favorisierte Entwurf des Künstlers Ulf Aminde ist derzeit im Kölner Museum Ludwig zu sehen. „Wir als Überlebende des Anschlags auf die Keupstraße werden jeden Tag an dieses schreckliche Ereignis erinnert, aber die meisten anderen Menschen nicht, weil über die verbrecherischen Taten von Neonazis gegen Migrant*innen viel zu wenig berichtet und gesprochen wird,“ sagt Arif S., einer der Überlebenden des NSU-Bombenanschlags in der Keupstraße in Köln. „Dieses Mahnmal wird unsere Geschichte, die Geschichte der Überlebenden des Anschlags, erzählen. Dieses Mahnmal ist wichtig, um die Ereignisse in der Keupstraße und der Propsteigasse in Köln nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Nicht nur für uns, sondern in erster Linie für die hier lebende gesamte Gesellschaft.“