In den vergangenen Wochen kam es zu einer Vielzahl von Anschlägen auf Wahlkreisbüros von demokratischen Politiker*innen in Thüringen. Davon waren insbesondere Mitglieder der Parteien DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD betroffen. Einen erschreckenden Höhepunkt markiert ein Brandanschlag auf das Haus eines SPD-Politikers im Landkreis Gotha, der zuletzt eine Demonstration gegen Rechts mitorganisiert hatte.
Dazu erklärt Franz Zobel, Projektleiter von ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen: „Die Anschläge der letzten Wochen sind nicht nur eine existentielle Bedrohung für die betroffenen Politiker*innen, sondern auch für deren Angehörige und Familien, die Mitarbeitenden der Wahlkreisbüros, Nachbar*innen und nicht zuletzt für die Demokratie. Es muss von einer rechten Tatmotivation ausgegangen werden. Dabei sind die aktuell berichteten Angriffe nur die Spitze des Eisbergs einer Entwicklung, in der demokratische Politiker*innen seit Jahren rechtem Hass, Hetze, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt sind. Die Corona-Proteste der sogenannten Querdenker können als Türöffner dieser Entwicklungen gesehen werden.“
Für eine mutmaßlich rechte Tatmotivation sprechen nach den Kriterien der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen die Auswahl der Betroffenen, die Art der Tatbegehung (z. B. das Anbringen von Hakenkreuzen) und der Tatkontext. Letzterer ist gekennzeichnet durch ein gesellschaftliches Klima, in dem seit Jahren eine massive Feindbildmarkierung insbesondere gegenüber vermeintlich und tatsächlich linken Politiker*innen und Engagierten durch die AfD und ihre extrem rechten Netzwerke stattfindet. Diese wird vermehrt auch von Politiker*innen von CDU und FDP bedient. Beispielhaft für das aktuelle Bedrohungsszenario für Politiker*innen in Thüringen stehen auch der Besuch des Wirtschaftsministers Habeck in Floh-Seligenthal am 15.2.2024 und die Schilderungen von massiver Bedrohung durch Ministerpräsident Ramelow gegen ihn und seine Frau in einem aktuellen Blog-Eintrag.
„Damit wird die Strategie der extremen Rechten am Anfang des Jahres der Kommunal-, Landtags- und Europawahlen offensichtlich: Demokratische Politiker*innen und Engagierte sollen eingeschüchtert und zum Aufhören gebracht werden. Deshalb braucht es jetzt dringend Solidarität und Zuspruch für die Betroffenen, eine klare Abgrenzung von rechten Feindbildmarkierungen und Mobilisierungen, die z. B. Regierungspolitik*innen an Galgen aufhängen wollen sowie ein konsequentes Vorgehen gegen die Täter*innen. Als fachspezifische Gewaltopferberatung bieten wir den Betroffenen, ihren Angehörigen und Zeug*innen von rechter Bedrohung und Gewalt unsere professionelle Unterstützung an“, sagt Zobel abschließend.
Für Rückfragen steht Ihnen Franz Zobel, Projektleiter von ezra, unter franz.zobel@ezra.de oder telefonisch unter 0361 – 21865133 zur Verfügung.
ezra arbeitet in Trägerschaft des re:solut e.V. (Rundum engagiert: solidarische Unterstützung in Thüringen e.V.), einem selbstständigen Werk der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.