Die Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (ezra) muss für das Jahr 2012 nachträglich ein Todesopfer rechter Gewalt in die Statistik aufnehmen. Dabei handelt es sich um den Mord an einem 59-Jährigen am 16. Juni in Suhl. Der sozial benachteiligte Mann war von drei jungen Männern im Alter zwischen 17 und 24 Jahren in seiner Wohnung überfallen und über mehrere Stunden erniedrigt und gefoltert worden. Schließlich ließen die Angreifer ihn schwer verletzt zurück, sodass er am nächsten Vormittag starb. Im Dezember 2012 begann vor dem Landgericht Meiningen der Prozess gegen zwei 18- und 24-Jährige. Ende Januar diesen Jahres wurden die Brüder wegen Mordes aus niederen Beweggründen und weiteren Straftaten zu Haftstrafen zwischen neun und 11 Jahren verurteilt.
Jürgen Wollmann, Projektleiter bei ezra, zur Einordnung als Todesopfer rechter Gewalt: „Für uns war zum einen ausschlaggebend, dass der zur Tatzeit 17-Jährige unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gerichtsbekannt war. Außerdem werteten die Täter ihr Opfer in der polizeilichen Vernehmung als ,Penner’ und ,Spinner’ ab. Zudem spricht die unglaubliche Brutalität der Tat, bei der es um die maßlose Erniedrigung des Opfers ging, für einen rechten Hintergrund. Die Täter zeigten weder Reue noch Mitgefühl im Gerichtsverfahren. Der Hintergrund der Tat war ihre Überzeugung.“
Die Thüringer Opferberatung war auf den Mord durch die Berichterstattung über den Gerichtsprozess aufmerksam geworden. „Der Fall zeigt die tödliche Dimension von rechter Gewalt. Hier musste ein Mensch aufgrund von sozialdarwinistischer Ideologie sterben. Die Täter hielten das Leben ihres Opfers aufgrund seiner sozialen Benachteiligung für lebensunwert. Die letzte Konsequenz dieser Ideologie beinhaltet die Ermordung von Menschen“, so Wollmann. „Unser ganzes Mitgefühl und unsere Solidarität gilt den Hinterbliebenen“, betont der Projektleiter von ezra. Trägerin der Opferberatung ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM).
Hintergrund:
Gewalt gegen sozial benachteiligte Menschen kann nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) aus dem Jahr 2001 als Tatmotiv mit politischer Motivation gewertet werden. Im Urteil findet sich der rechte Hintergrund der Tat nicht wieder. Deswegen wird er auch keinen Eingang in die von der Bundesregierung geführte Statistik von Todesopfern rechter Gewalt finden. Alternativ dazu führen Journalisten und Journalistinnen von „Tagesspiegel“ und „Zeit“ sowie von der Amadeu-Antonio-Stiftung unabhängige Listen über die Todesopfer rechter Gewalt seit 1990.