Am morgigen Mittwoch (2.12.) beginnt am Landgericht Erfurt der Prozess um den Neonazi-Angriff auf eine Feier der Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha). Der Angriff im Februar 2014 habe gezeigt, mit welcher Brutalität die rechte Szene gegen politische Gegner vorgehe, sagt Franz Zobel von ezra, der mobilen Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen:
„Der anfangs noch von der Polizei als „Kirmesschlägerei“ abgetane Angriff war minutiös geplant und steht für die Militanz und Gewalttätigkeit der Thüringer Neonazi-Szene. Für die zahlreichen Betroffenen bietet der Prozess nun die Chance, dass die Täter und die Täterin für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden.“
Bei dem Angriff am 9. Februar 2014 wurden zehn Menschen verletzt, zwei davon schwer. Die Bilder vom Tatort hatten in Politik und Gesellschaft für Entsetzen gesorgt. Für die Betroffenen und einige der Zeuginnen und Zeugen habe der Angriff psychische Folgen, die bis in die Gegenwart reichten, so Zobel:
„Die vergangenen Monate waren für die Betroffenen eine Zumutung. Nicht nur dass die Täter frei herumlaufen konnten und Begegnungen in dem kleinen Ort nicht auszuschließen waren. Nicht nachvollziehbar war auch, dass die Neonazi-Immobilie „Gelbes Haus“ weiter bestehen blieb, obwohl sie in direktem Zusammenhang mit den Tätern steht.“
In der Immobilie in Ballstädt wurde im Dezember 2014 ein Rechts-Rock-Konzert aufgelöst. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung wurden neben Propagandamaterial auch Schlagstöcke und Quarzhandschuhe gefunden.
Für die Betroffenen sei der anstehende Prozess eine große Herausforderung, sagt Franz Zobel von ezra: „Es bedeutet für Opfer rechter Gewalt hohen psychischen Stress, den Tätern während der Zeugenaussage gegenüber zu treten. So sind zum Beispiel Repressionen durch die Täter und deren Umfeld nicht auszuschließen. Gerade deshalb ist eine breite gesellschaftliche Solidarität umso wichtiger.“
Mehrere Betroffene sowie Zeuginnen und Zeugen sind bei ezra in Beratung. Die Opferberatung begleitet, unterstützt und berät sie während des gesamten Gerichtsprozesses. Zudem wirbt sie auch um Spenden an den Opferhilfsfonds von ezra, um die Betroffenen direkt unterstützen zu können. Unter anderem fallen Kosten für anwaltliche Vertretung und Zeugenbeistand an.
Die Opferberatung ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Gefördert wird ezra im Rahmen des Thüringer Landesprogramms für „Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“ und des Bundesprogramms „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“.