Opferberatung ezra: Rechte Gewalt in Saalfeld eskaliert – Solidarität mit den Betroffenen

In den vergangenen Wochen kam es in und um Saalfeld mehrfach zu rechten Angriffen und Bedrohungen auf politisch Aktive. Dazu zählen unter anderem mehrere körperliche Angriffe auf Jugendliche, massive Einschüchterungsversuche im privaten Umfeld von politisch Aktiven und Randale und Bedrohungen im Jugend- und Stadteilbüro in Saalfeld-Gorndorf. Hierzu erklärt Franz Zobel, Mitarbeiter von ezra, der mobilen Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen:

„Die Angriffe auf politisch Aktive in den vergangenen Wochen stellen nur einen Höhepunkt in der Region Saalfeld-Rudolstadt dar. Erst vergangenes Jahr wurden am ersten Mai bei einer Demonstration des neonazistischen „III. Weges“ mehrere Gegendemonstrant*innen auf brutale Art und Weise zusammengeschlagen. Auch im Oktober 2015 wurden politisch Aktive und Geflüchtete Opfer von rechter Gewalt. Daneben kam es immer wieder zu Angriffen auf das Parteibüro der Landtagsabgeordneten Katharina König (DIE LINKE). Auch vor Morddrohungen machte die Neonazi-Szene keinen Halt.

Diese Entwicklungen fanden in keinem luftleeren Raum statt. Seit Jahren ist die Saalfelder Neonazi-Szene gut organisiert und vernetzt und steht in direkter Tradition zum „Thüringer Heimatschutz“. Auch die Wiederbelebung der „Anti-Antifa Ostthüringen“, die dem Saalfelder Neonazi-Spektrum zuzuordnen ist und als Vorläufer des „Thüringer Heimatschutzes“ gilt, zeigt, wie wieder vermehrt politisch Aktive ins Visier der Neonazis geraten. Allein für dieses Jahr registrierten wir als Opferberatungsstelle 16 rechtsmotivierte Angriffe im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Das übertrifft jetzt schon die Anzahl der Angriffe, die wir 2015 in der Region gezählt haben.

Obwohl die Saalfelder Neonazi-Szene offen militant auftritt und immer wieder durch Bedrohungen und Angriffe auffällt, haben sie bisher kaum Repression von staatlicher Seite zu fürchten. Beispielhaft steht hierfür das Verfahren gegen Neonazis und Rocker, die Katharina König (DIE LINKE) und ihre Mitarbeiter*innen an einem Wahlkampstand mit einer Eisenkette und den Worten „Sonst klären wir das wie in den 90ern“ massiv bedrohten. Auf völliges Unverständnis stieß bei uns der Freispruch der Täter durch das Landgericht Gera mit der Begründung, dass es ein unbeendeter Versuch und ein freiwilliger Rücktritt von einer versuchten Nötigung gewesen sei. Wie sicher sich die Neonazis nach dem Urteil fühlten, zeigten sie eine Woche später, als sie vor dem Wahlkreisbüro der Landtagsabgeordneten mit einer Schwarz-Weiß-Roten Fahne posierten.

Unsere Solidarität gilt den Betroffenen der rechten Angriffe sowie Einschüchterungsversuchen und allen politisch Aktiven vor Ort – ob Bürgerbündnis, antifaschistische Gruppe oder engagierte Einzelperson. Wir unterstützen den Aufruf zur Demonstration „TIME TO ACT – Solidarität mit Betroffenen rechter Gewalt“ am 29.04.2016 der Initiative „Kein Platz für Angsträume“ und rufen zur Teilnahme auf. Außerdem fordern wir Polizei und Medien in ihren Berichterstattungen auf, rechte Gewalt auch als solche zu benennen.“

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „Denk bunt“.