Justizproblem: Mehrfach vorbestrafter Erfurter Neonazi erhält nach brutalem rassistischen Angriff im Weimarer Bahnhof nur eine Geldstrafe. Bei dem Angriff würgte er den Betroffenen mit beiden Händen und brach ihm die Nase. 

Am gestrigen Montag, den 06.05.2024, zeigte sich im Rahmen eines Berufungsverfahrens erneut das Thüringer Justizproblem im Umgang mit rechter Gewalt. Verhandelt wurde am Erfurter Landgericht eine Tat aus dem September 2021, bei welcher der Täter R. einen zum Tatzeitpunkt 19-jährigen Mann im Weimarer Bahnhof zunächst am Einsteigen in den Zug hinderte, wobei er ihn rassistisch beleidigte. Anschließend griff er den Betroffenen brutal an und schlug ihn mit der Faust mehrfach ins Gesicht. Dabei brach er dem jungen Mann die Nase und würgte ihn anschließend mit beiden Händen so stark, dass der 19-Jährige keine Luft mehr bekam. Der Betroffene berichtete nach der Tat: „Ich habe Angst um mein Leben gehabt.“ Der Täter ließ erst von dem Betroffenen ab, als er von engagierten Zeug*innen weggezogen wurde.  

„Es ist für uns als fachspezifische Gewaltopferberatungsstelle ein Skandal, dass das Gericht im heutigen Revisionsverfahren lediglich eine Geldstrafe für den vorbestraften, bekannten Neonazi R. nach dieser brutalen, rassistischen Tat verhängt hat. Einerseits zeigt die Intensität der Tat auch heute noch deutliche physische und psychische Spuren bei dem Betroffenen: Dieser vermeidet es z. B. abends das Haus zu verlassen. Andererseits ist es nicht nachzuvollziehen, dass 13 teilweise einschlägige Eintragungen R.s im Zentralregisterauszug nicht zu schärferen Konsequenzen als zu Geldstrafen führen”, erklärt David Rolfs, Berater bei ezra. „Das Signal ist verheerend: Gegenüber den Tätern, die kaum Konsequenzen für ihre Taten fürchten müssen. Aber insbesondere auch gegenüber den Betroffenen, die sich in Thüringen nicht sicher fühlen können.” 

„Erschütternd war zudem der Umgang des Gerichts mit dem Fall. Dieses entpolitisierte die Tat und vermittelte den Eindruck, dass es sich vor allem darum sorgte, dass R. zukünftig nicht mehr als Fan an den Auswärtsspielen seines präferierten Fußballvereins teilnehmen könnte. Das Gericht sendet damit ein verheerendes Signal an (potenziell) Betroffene rechter Gewalt”, so Rolfs weiter. Bereits vor der Urteilsverkündung gab der Betroffene an: „Ich hatte lange Zeit Angst, dass das, was mir passiert ist, für den Täter überhaupt keine Konsequenzen hat. Mittlerweile erhoffe ich mir nichts mehr von der Justiz.“  

David Rolfs, Berater bei ezra, steht Ihnen für Rückfragen zur Verfügung unter david-rolfs@ezra.de.  

ezra arbeitet in Trägerschaft des re:solut e.V. (Rundum engagiert: solidarische Unterstützung in Thüringen e.V.), einem selbstständigen Werk der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.