Flüchtlingsrat Thüringen und Opferberatung ezra: „Erlass für Opfer rassistischer und rechter Gewalt hat eine wichtige Signalwirkung, ist aber für den Schutz von Betroffenen unzureichend“

Wie das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz am Mittwoch mitteilte, tritt am 1. Juni 2018 ein Erlass in Kraft, der Opfern rechter und rassistischer Gewaltstraftaten und deren Angehörigen unter bestimmten Voraussetzungen Schutz vor Abschiebung ermöglichen soll. Nach Brandenburg und Berlin bekennt sich Thüringen damit als drittes Bundesland zu seiner Verantwortung gegenüber Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstaus, die Opfer von rechter und rassistischer Gewalt geworden sind.

„Wir begrüßen diesen Schritt, auch wenn wir eine weitreichendere Regelung mit weniger Ausschlusskriterien für notwendig erachten“, äußert sich Ellen Könneker für den Flüchtlingsrat Thüringen e.V.. Christina Büttner ergänzt für ezra, die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen: „Der Erlass ist ein Zeichen an die rechten und rassistischen Täter*innen. Den Bedarfen von Betroffenen wird er hingegen nicht gerecht.“ Eine Evaluierung der Regelung in einem Jahr, insbesondere zu Zugangsbarrieren der Betroffenen, wird von den beiden Organisationen als sehr sinnvoll erachtet.

Anwendung findet die Vorschrift, wenn eine rechte oder rassistische Gewaltstraftat erhebliche gesundheitliche Folgen nach sich zieht. Eine Strafanzeige der Betroffen ist in der Regel Voraussetzung. Betroffene werden nur durch eine Duldung zunächst zeitlich begrenzt geschützt. Damit bleibt leider die große Belastung weiter bestehen, die mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus verbunden ist. Sobald die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach den bestehenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen vorliegen, sollen die Ausländerbehörden diese erteilen. Christina Büttner kritisiert: „Die zuständigen Ausländerbehörden haben nicht unbedingt die nötige Expertise und Sensibilität um rechte und rassistische Angriffe einordnen und entsprechend des Erlasses bewerten zu können. Deshalb rechnen wir mit Problemen bei der Umsetzung zu Ungunsten der Betroffenen, die eigentlich durch den Erlass geschützt werden sollen.“

Um die Opfer von rechter und rassistischer Gewalt besser zu schützen, ist es zudem wichtig, dass den Betroffenen schnell und unbürokratisch Möglichkeiten des Umzugs eröffnet werden, insbesondere bei anhaltender Furcht der Betroffenen oder bei weiter bestehenden Bedrohungssituationen. „Da Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus ihre Unterkunft nicht frei wählen können, sondern von den Behörden zugewiesen bekommen, sollten hier vom Land ergänzende Regelungen geprüft werden“, fordert Ellen Könneker. Christina Büttner ergänzt: „Der Schutz der Betroffenen ist schwer zu gewährleisten, weil der geforderte Nachweis psychischer Folgen aufgrund von bestehenden Zugangsschwierigkeiten zu psychotherapeutischen Angeboten, die sich aus Sprachbarrieren und mangelnden Therapieplätzen ergeben, in Thüringen nicht gewährleistet ist. Die erheblichen Folgen eines Angriffs lassen sich nicht kurzfristig diagnostizieren und behandeln.“

Thüringen stellte im März 2018 im Bundesrat gemeinsam mit dem Land Berlin einen Entschließungsantrag für eine Änderung des Aufenthaltsrechts. Damit könnte eine bundeseinheitliche Regelung für ein Bleiberecht für Opfer von rechter und rassistischer Gewalt geschaffen werden. Dieser Schritt würde eine größere Rechtssicherheit schaffen und darf deshalb als Ziel nicht aus den Augen verloren werden. Der Flüchtlingsrat und ezra unterstützen diese Forderung ausdrücklich.