Pressemitteilung des antifaschistischen & antirassistischen Ratschlag vom 09.11.2018
+++ 28. Antifaschistischer und Antirassistischer Ratschlag fand am 2.und 3. November 2018 in Eisenach mit etwa 350 Teilnehmenden statt. +++ Mehrere Angriffsversuche durch stadtbekannte Neonazis. +++ Polizei schützt Ratschlag nicht, sondern tritt repressiv gegen Teilnehmende des Mahngangs auf. +++ CDU-Kreisvorstandsmitglied denunziert lokale Akteur*innen und antifaschistische Strukturen als „linke Seuche“ und „Pack“. +++
Am vergangenen Wochenende trafen sich verschiedenste antifaschistische Aktivist*innen und Akteur*innen aus Bürgerbündnissen, Parteien,Kirchen, Gewerkschaften, antifaschistischen Gruppen, Vereinen,Organisationen und viele Einzelpersonen in der westthüringer Stadt.Seit den 1990er Jahren findet jährlich der antifaschistische und antirassistische Ratschlag an wechselnden Orten anlässlich des 9.November statt, an dem sich in diesem Jahr die Reichspogromnacht zum 80. Mal jährt. Ziel war die Vernetzung und Diskussion zu Ursachen und Handlungsstrategien gegen rechts. „Wir haben uns dieses Jahr für Eisenach entschieden, weil wir die Aktiven vor Ort unterstützen wollen, die seit Jahren von der hiesigen Neonaziszene massiv bedroht und auch körperlich angegriffen werden. Auch die Teilnehmenden des Ratschlags bekamen die Zustände in Eisenach zu spüren. Stadtbekannte Neonazis versuchten den Ratschlag Freitag Abend mehrmals anzugreifen. In der Nacht zu Samstag kam es dann zu einem weiteren Angriffsversuch durch Neonazis, welche mit Baseballschlägern bewaffnet waren. Die Neonazis schreckten zurück, als sie bemerkten wieviele Teilnehmende noch auf dem Gelände waren“, so der Vorbereitungskreis des Ratschlages.
Traditionell startete der Ratschlag mit einem Mahngang, an dem rund 100 Menschen teilnahmen. Eine Station war die Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge, die am 9. November 1938 durch die antisemitischen Pogrome zerstört wurde. Redebeiträge thematisieren u.a. den aktuellen Bezug zu den verfestigten neonazistischen Strukturen rund um NPD-Stadtrat Patrick David Wieschke mit Bezug zum „Thüringer Heimatschutz“ und die NPD-Zentrale „Flieder Volkshaus“. „Der Mahngang wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Statt die Teilnehmenden zu schützen, ging die Polizei gegen das Entfernen und Überkleben von rassistischen, antisemitischen und neonazistischen Aufklebern vor, die das Stadtbild prägen. An die Stelle von Ermittlungen wegen zahlreicher volksverhetzender Aufkleber und Graffiti traten wieder einmal die Kriminalisierung antifaschistischen Protestes. Unsere Solidarität gilt den Engagierten vor Ort, die trotz solcher Zustände den Mut haben, gegen Neonazis, Rassismus und Antisemitismus Stellung zu beziehen“, erklärt der Vorbereitungskreis.
Trotz der Angriffsversuche durch Neonazis konnte der Ratschlag mit fast 350 Teilnehmenden in der Johann- Wolfgang-von-Goethe-Schule wie geplant stattfinden. So wurde mit der Theateraufführung der NSU-Monologe zum ersten Mal die Opferperspektive in der Stadt thematisiert, wo sich vor sieben Jahren der „NSU“ selbst enttarnte. Eine Fürsprecherin fand der Ratschlag auch in der Schuldirektorin, die in ihrem Grußwort die Notwendigkeit einer antifaschistischen Intervention in Form des Ratschlages unterstützte. Thematisch beschäftigte sich der Ratschlag bis in den späten Nachmittag in Workshops bspw. mit Rechtspopulisten und Gewerkschaften, verschärften Polizeiaufgabengesetzen und neonazistischen Strukturen in Eisenach und Thüringen, sowie Sozialarbeit von rechts. „Insgesamt wurde der Ratschlag von den Teilnehmenden als Erfolg und Signal gegen die neonazistischen Umtriebe in Eisenach und darüber hinaus verstanden“ resümiert der Vorbereitungskreis.
Abschließend erklärt der Vorbereitungskreis: „Uns ist bewusst, dass der Ratschlag nur eine von vielen notwendigen antifaschistischen Interventionen sein kann. Die akute Bedrohungssituation durch Neonazis betrifft vor allem Geflüchtete, People of Colour und Antifaschist*innen vor Ort. Dies bedarf nicht nur im Ernstfall unser aller Solidarität und Rückendeckung. Die Etablierung einer militanten Neonaziszene ist nicht zuletzt das Resultat eines fehlenden Problembewusstseins lokaler Behörden und Politik. Jüngstes Beispiel sind die Äußerungen des CDU- Kreisvorstandsmitglied Lars-Christian Schröder in sozialen Netzwerken, der lokale Akteur*innen und antifaschistische Strukturen als „linke Seuche“ und „Pack“ denunzierte. In diesen Zeiten braucht es klare Kante gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus auf der Straße, im Betrieb, in der Schule und den Parlamenten.“
Bei Rückfragen können Sie uns unter: info@ratschlag-thueringen.de erreichen.